Verlustangst - Warum brauche ich so viel Nähe und Sicherheit in meiner Beziehung?

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Du bist gerade frisch verliebt in einer neuen Beziehung, alles ist eigentlich gut, aber trotzdem spürst du eine große innere Unruhe? Unaufhörlich kreisen unangenehme Gedanken in deinem Kopf, und alle drehen sich um ihn, deinen neuen Partner: „Warum meldet er sich denn nicht? Habe ich vielleicht etwas Falsches gesagt, was ihn abgeschreckt hat? Hoffentlich findet er mich auch so toll wie ich ihn.“

Auch Nelly, die ratsuchend in meine Praxis kam, hing in so einem destruktiven Gedankenkarussell fest. Seit ein paar Monaten war sie mit Tim zusammen, sie war sehr verliebt. Eigentlich war also alles in Ordnung, aber irgendwie auch ganz und gar nicht.  Nelly fühlte sich oft verunsichert, fast ängstlich. Wenn sie ein harmonisches Wochenende miteinander verbracht hatten, dann ging es ihr gut. Aber sobald Tim nicht mehr bei ihr war, kamen große Selbstzweifel. „Ständig denke ich an ihn, ich habe so große Angst, dass sich Tim zurückzieht.“ Nelly war in diesen Momenten nur ein aufgelöstes Häufchen Elend. Im Coaching-Gespräch mit Ihr wurde sehr schnell klar, worum es bei Nelly ging – um tiefsitzende Verlustängste.

 

Erst einmal, es ist völlig normal, in einer Beziehung etwas unsicher zu sein – gerade am Anfang. Wir lassen jemanden in unser Leben, geben viel von uns preis. Und das ist auch erst einmal gut so. Ein gewisser Vertrauensvorschuss ist nötig, wenn man eine Beziehung wirklich will. Aber natürlich gibt es keine Garantie, dass der andere genau die gleichen Bedürfnisse hat wie du. Vielleicht reagiert er auch mal anders als du dir das wünschst. Wir alle haben Angst davor, den Partner wieder zu verlieren, zu sehen, dass die (neue) Beziehung keinen Bestand hat. In der Regel werden diese Ängste kleiner, je länger wir in einer Partnerschaft sind. Vertrauen baut sich langsam auf und wir können die Reaktionen unseres Partners besser einschätzen. Wir stellen die Beziehung nicht gleich ängstlich in Frage, wenn der andere mal unerwartet oder vielleicht auch gar nicht reagiert.   

Verlustangst – die ständige (Sehn)Sucht nach Nähe

Bei Nelly lag der Fall allerdings etwas anders. Obwohl Tim ihr immer wieder versicherte, dass er sie liebt und attraktiv findet, zweifelte Nelly an der Beziehung. Wenn Sie mit Tim zusammen war, wurde sie tatsächlich etwas ruhiger, aber sobald er wieder eigene Wege ging, wurde Nelly unruhig, in manchen Situationen fast panisch. Im Gespräch mit ihr wurde deutlich, dass sie ihre eigenen Bedürfnisse und auch ihre Freundschaften immer häufiger vernachlässigt hat. Aus der vermeintlichen Angst, Tim zu verlieren, passte sie sich immer mehr an sein Leben und seine Bedürfnisse an. Und ja, ein gewisses Maß an Anpassung ist sicherlich auch sinnvoll und beziehungsfördernd, aber ab einem bestimmten Punkt halte ich so ein Verhalten für ungesund. Dann muss man sich fragen, was dahinter steckt. Und sehr oft lautet die Antwort: Tiefe Verlustangst!

Woher kommt Verlustangst?

An dieser Stelle lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit, denn Bindungsstile werden in unserer Kindheit geprägt. Mit fast 80%iger Wahrscheinlichkeit machen sich diese in der Kindheit gesammelten Erfahrungen später auch in unseren partnerschaftlichen Beziehungen bemerkbar. Wenn Eltern ihr Kind emotional gut versorgen, es lieben, auf seine Sorgen und Bedürfnisse adäquat eingehen, dann hat das Kind eine sichere emotionalen Basis.  In der Entwicklungspsychologie sagt man, es ist gut gebunden. Die Wahrscheinlichkeit, dass es auch als Erwachsener sogenannte sichere Beziehungen eingehen kann, ist groß.

 

Ist ein Kind aber in emotional unsicheren Beziehungskonstellationen aufgewachsen, dann wird es auch als Erwachsener eher ängstlich-unsicher in Beziehungen sein. Und genau das war auch bei Nelly der Fall: Sie musste ständig um die Liebe ihrer Mutter kämpfen, die offenbar wenig Interesse an ihrer kleinen Tochter hatte. In der Folge hat die kleine Nelly immer versucht, es ihrer Mamma immer recht zu machen, um wenigsten etwas Zuwendung und Liebe zu bekommen.

Nelly hat bis heute eine sehr tief sitzende (kindliche) Angst vor dem Verlassenwerden. Und genau diese Angst wird in ihren Liebesbeziehungen getriggert. Ihr Wunsch nach Bindung ist sehr groß, entsprechend groß ist ihre Angst vor Verlust.  

 

Der ängstliche Beziehungstyp – das Bindungssystem ist sehr störanfällig

Was ist bei Nelly los? Nelly gehört zu den sogenannten ängstlichen Beziehungstypen. Bei ihr ist das Bindungssystem extrem schnell aktivierbar. Es springt sehr früh an. Schon beim leisesten Verdacht, dass etwas nicht in Ordnung sein könnte, sind Menschen wie Nelly in Alarmbereitschaft. Menschen, die den ängstlichen Beziehungstyp verkörpern, haben dann nur noch einen Gedanken: Ich muss die Nähe zu meinem Partner wieder herstellen und zwar um jeden Preis. Sie tun nahezu alles, um ihrem Partner körperlich und emotional nahe zu sein. Erst wenn sie die Nähe ihres Partners wieder spüren, sind sie wieder beruhigt und sie können zu ihrem ausgeglichenen Selbst zurückkehren.   

Alarmstufe rot! Aufmerksamkeit um jeden Preis

Was aber passiert, wenn der Partner nicht reagiert? Dann legt der ängstliche Beziehungstyp manchmal richtig los und zwar in Form eines intensives Protestverhaltens. Nelly hat die ganze Klaviatur hoch und runter gespielt: Anrufen, mailen, simsen, mit Trennung drohen, TIm eifersüchtig machen. Und aus lauter Angst, von ihrem Partner keine Reaktion zu bekommen, wurde sie immer drängender. Heute schämt sie sich fast für diese Verhaltensweisen.

Verlustangst, das kannst du dagegen tun

Noch einmal zurück zu Nelly und ihrer Verlustangst. Tim hatte sich seit mehreren Tagen nicht bei ihr gemeldet und bei Nelly kam wieder mal das bekannte Panikgefühl auf. Je mehr Raum sie dem Gefühl gab, desto mehr war sie davon überzeugt, dass er sie in Kürze verlassen würde. Kommen dir diese Gedanken bekannt vor?

 

Wenn ja, dann rate ich dir: Versuche ruhig zu bleiben. Nur weil sich dein Partner nicht ständig meldet, heißt das nicht, dass er sich nicht für dich interessiert. Er hat vielleicht gerade einfach viel um die Ohren. Wahrscheinlich hat seine in deinen Augen mangelnde Aufmerksamkeit überhaupt nichts mit dir zu tun.  Genau wie Nelly „meldet“ sich bei dir in diesem Moment vermutlich dein Bindungssystem.

 

Gedanklich lässt du dich gerade so stark von dem Gefühl beherrschen, dass eine ruhige und angemessene Reaktion gar nicht möglich ist. Wenn diese starke Emotion auftritt, dann versuche bewusst, ihr ruhig entgegenzutreten und dir klar zu machen, was da gerade passiert. Vor allem überlege dir gut, wie du jetzt reagieren willst. Ist eine „Protestreaktion“ wirklich angemessen ist oder führt sie nicht eher dazu, dass sich dein Partner dann tatsächlich distanziert. So ein lautes Verhalten kann auf Dauer wirklich sehr anstrengend werden. Das ist offen gesprochen alles andere als beziehungsfördernd. 

Mangelnde Selbstliebe – arbeite an deinem Selbstwertgefühl

Du bist wunderbar und einzigartig. Und dein Glück ist nicht nur von einem Partner abhängig. Du gehst nur davon aus, dass dein Partner dich nicht schätzt und liebt, weil du es selbst nicht in ausreichendem Maße tust. Autonomie ist ein wichtiger Schlüssel zum Glück. Je unabhängiger du bist, und ich meine hier die emotionale Unabhängigkeit – desto selbstbewusster und stärker bist du in einer Beziehung. Pflege bewusst eigene Freundschaften, Familie, Hobbys – Autonomie ist sehr sexy, Selbstaufgabe dagegen überhaupt nicht. Und versuche, dich mit all deinen Schwächen und Fehlern anzunehmen. Auch dieser Teil gehört zu dir und macht dich liebenswert!  

Mit Meditation die Selbst­wahr­neh­mung ver­bes­sern

Vielleicht gehörst du auch zu den Menschen, die Lust haben, Meditation auszuprobieren. Medi­ta­tion schult die Fähig­keit, mit der Auf­merk­sam­keit voll und ganz im gegen­wär­ti­gen Moment zu sein. In diesem Zustand fällt es leich­ter, die eige­nen Bedürf­nisse wahr­zu­neh­men, ganz in seinem Körper anzu­kom­men und sich der eige­nen Gefühls­lage bewusst zu werden. 

 

Studien bele­gen, dass Acht­sam­keit die Selbst­wahr­neh­mung ver­bes­sert und in der Folge sogar glück­li­cher macht.  Men­schen, die achtsam mit sich umgehen, entwickeln ein besseres Bewusst­sein für die eigene Per­sön­lich­keit. Das Ver­trauen in die eigene Person wird auf diese Weise gestär­kt. Selbstbewusstsein, sprich dieses Wort einmal ganz bewusst aus. Es bedeutet, sich seiner selbst bewusst zu sein. Wenn wir unsere Stär­ken, aber auch unsere Schwä­chen als Teil unse­rer indi­vi­du­el­len Per­sön­lich­keit wahr­neh­men, fällt es auch leich­ter, sie zu akzep­tie­ren. 

 

Der Gegenspieler zur Angst ist Mut! Also, nur Mut, setze dich mit deiner Angst auseinander und schau genau hin! Was passiert gerade wirklich und was ist Phantasie? Viele Ängste, die wir spüren, sind reines Kopfkino und haben mit der Wirklichkeit oft gar nicht so viel zu tun wie wir in dem Moment denken. In Momenten der Verlustangst gehen die Gefühle mit dir durch.  

Atme tief durch, trete innerlich bewusst etwas zurück und gehe auf Abstand zu deinem ängstlichen Selbst. Mit diesem inneren Abstand kannst du eine gesunde Distanz zu deiner Verlustangst aufbauen und hast den Blick frei für das, was wirklich ist.

 

 

Alles Gute wünscht deine dir deine Herzkümmerin!  

 

Lies auch:  Warum verliebe ich mich immer in den Falschen?

 


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